Außergewöhnliche Berufe: Geigenbauer

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Die Penny Lane Redaktion – Leonard El-Ishmawi, Anne Wasmuth und Marlene Milius – war in der Cantianstraße in Berlin Prenzlauerberg im Atelier und Laden vom Geigenbauer Felix Scheit. Wie kommt man zu dem Beruf und wie läßt es sich mit Geigen leben?

Penny Lane: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, diesen Beruf auszuüben?
F. Scheit: Ich habe eine Ausbildung als Schreiner angefangen und das war mir etwas zu grob. Dann bin ich zu einem Geigenbauer gekommen und habe gesehen, dass man ein Produkt von A bis Z selbstständig herstellen kann. Es gibt ganz wenig Berufe, wo man das heutzutage machen kann und das ist das, was mich damals motiviert hat.

Penny Lane: Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Sie aus?
F. Scheit: Meinen Arbeitstag fange ich um 10:00 Uhr an. Ich gucke die Emails durch, schaue, dass das Büro klar ist und dann fange ich an zu gucken, was es für Arbeiten gibt.

Penny Lane: Wie viele Leute seid ihr?
F. Scheit: Wenn alle da sind, sind wir zu viert, mit Büro.

Penny Lane: Wie lange arbeiten Sie denn schon in dem Beruf?
F. Scheit: 1982 habe ich angefangen, also 42 Jahren.

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Penny Lane: Was haben Sie für eine Ausbildung?
F. Scheit: Ich habe mit einer Ausbildung ohne Ausbildungsvertrag angefangen. Die ersten zwei Jahre wurden doppelt gezählt. Insgesamt habe ich fünf Jahre gelernt, in Bodensee und in Mainz.

Penny Lane: Was ist denn das Beste an Ihrem Beruf?
F. Scheit: Dass man ein Produkt herstellt. Dass man einen überschaubaren Raum hat, mit dem man zu tun hat.

Penny Lane: Was gefällt Ihnen am wenigsten?
F. Scheit: Oh, eigentlich gefällt mir ja alles. Wenn etwas nicht funktioniert, das gefällt mir nicht. Aber in der Regel funktioniert alles.

Penny Lane: Was ist denn Ihr bestes Erlebnis?
F. Scheit: Ein „bestes Erlebnis“ kann ich nicht nennen. Aber es ist natürlich immer ein schönes Erlebnis, wenn man ein Instrument, das anschließend klingt und das auch von gewissen Leuten begehrt wird, gebaut hat.

Penny Lane: Würden Sie Ihren Beruf weiterempfehlen?
F. Scheit: Grundsätzlich ja. Aber es ist nicht einfach, man muss auf ziemlich viel verzichten, denn man arbeitet im Prinzip für das Hobby der Menschen. Es ist nicht einfach damit genug Geld zu verdienen. Man muss schon ziemlich ehrgeizig und gut sein, damit das einigermaßen klappt, wenn man das heute noch machen möchte. Als ich anfing, waren es in Berlin um die 6 Geigenbauer. Jetzt sind wir ungefähr 60.

Penny Lane: Wie lange dauert es, eine Geige herzustellen?
F. Scheit: Ungefähr 200 Arbeitsstunden… und noch einmal 200, um sie zu verkaufen.

Penny Lane: Wie funktioniert das Verkaufen?
F. Scheit: Man muss Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ein Netzwerk aufbauen, auf Konzerte gehen, Studenten kennenlernen. Es ist schon eine Herausforderung.

Penny Lane: Auch deutschlandweit oder reicht der Markt in Berlin?
F. Scheit: Der Prophet im eigenen Land ist am wenigsten wert. Also lieber woanders. In anderen Städten. Es ist so, wie die Leute nicht zum Zahnarzt im gleichen Haus gehen.
Es gibt Leute, die extra nach New York fliegen, um eine Stimme für 3.000€ zu bestellen, obwohl es nicht besser ist, als wenn sie zu mir kommen würden und vielleicht nur 1/100 davon bezahlen.

Penny Lane: Wie reagieren die Leute auf ihren Beruf, wenn Sie ihn erwähnen?
F. Scheit: Einmal fuhr ich als Lehrling zu meinem Geigenbauer am Bodensee. Da fragt mich der Taxifahrer: „Was machen Sie denn so als Beruf?“ , „Ja, ich bin Geigenbauer“. Sagte er: „Das ist ja wie Astronaut.“

Penny Lane: Wie viel verdienen Sie pro Auftrag?
F. Scheit: Das ist sehr unterschiedlich. Wir rechnen in Handwerk-Stunden. Das müsste ich meinen Steuerberater fragen. Also nicht so viel wie in der Autowerkstatt, aber ungefähr so ähnlich.

Penny Lane: Wie geht es denn im Groben, eine Geige herzustellen?
F. Scheit: Also, man hat ein bestimmtes Original, ein Modell, was einen interessiert und was man nachbauen möchte. Man macht sich erst einen Plan, besorgt das Holz, und dann geht’s los.

Penny Lane: Wo kommt das Holz her?
F. Scheit: Das besorgt man sich bei einem Tonholzhändler. Oder man geht es selber im Wald holen. Wir haben hauptsächlich Alpenholz: Aus den italienischen Alpen, den Karpaten und Österreich. Traditionell arbeiten wir mit Fichte und Ahorn.

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Penny Lane: Von welchen Herstellern sind die teuersten Geigen?
F. Scheit: Die verschiedenen Geigenbauer, würde ich sagen, verkaufen zwischen 15 und 70.000. Es gibt schon Neubauer, die ihre Instrumente für 70.000 verkaufen wollen und welche, die günstiger verkaufen.

Penny Lane: Und was ist an deren Geigen denn so besonders, dass die so teuer sind?
F. Scheit: Das ist ungefähr so ähnlich wie zwischen Van Gogh´s Gemälde und einem von mir. Vor allem, wenn jemand berühmt ist oder es dazu geschafft hat. Wer weiß, wie, vielleicht heute mit Instagram. Ob die Geige gut klingt, das ist dann die Frage. Vielleicht muss der Geigenbauer nur gut aussehen.

Penny Lane: Können Sie denn eigentlich auch Geige spielen?
F. Scheit: Ich habe früher mal Geige gespielt.

Penny Lane: Haben Sie geschwankt zwischen Geige und einem anderen Instrument?
F. Scheit: Der Klang von der Geige an sich hat mich schon immer interessiert. Andere Klänge verstehe ich nicht. Manche Leute wissen, wie Autotür und Motor je nach Marke klingen müssen. Das gibt es bei Geigen auch. Ich höre auch nicht viel Geigenmusik an sich, sie ist gar nicht das Interessante, sondern ich finde eher den Klang, wie der ganze Organismus funktioniert, faszinierend.