Interview mit Ferat Koçak – Teil 2

Foto: Jon Tyson (unsplash)

„Ob Klimakrise, Krieg oder Rassismus: Wir brauchen viel mehr sensationellen Protest“

Über Ferat Koçak 
Ausgeübte Tätigkeit: Marketing & Public Relations Specialist 
Berufliche Qualifikation: Diplom Volkswirt 
Wohnort: Berlin Neukölln 
Geburtsjahr: 1979 
Aktuelles Mandat: Abgeordneter Berlin 2021 - 2026, Fraktion: DIE LINKE 
Eingezogen über die Wahlliste: Landesliste 
Mehr Infos: abgeordnetenwatch.de/profile/ferat-kocak

Wenn Du Kanzler wärst und Deine Partei die absolute Mehrheit hätte, was wäre die erste Entscheidung, die Du treffen würdest?

Ich würde die Rüstungsindustrie enteignen, also keine Waffen mehr.

Was hältst Du von den 100 Milliarden, die der Bundeswehr bereitgestellt werden?

Hätte ich nicht gemacht.  Ich würde mehr Schulden aufnehmen, bloß diese 100 Milliarden. Und ich würde sehr viel davon vor allem in regenerative Energie und die Bekämpfung der Klimakatastrophe investieren, aber auch in den sozialen Bereich.

Ohne Waffen wäre es uns doch aber nicht mehr möglich, an Verteidigungsbündnissen wie der NATO teilzunehmen, die uns ja eine gewisse Sicherheit geben.

Wenn wir unsere Sicherheit durch Waffeln realisieren, dann verlieren wir sie auch durch Waffen. Die Waffen die wir heute woanders verkaufen, könnten morgen gegen uns verwendet werden.

Du setzt Dich für das Recht ein, radikal demonstrieren zu dürfen, gibt es für Dich eine Grenze?

Die Grenze ist für mich da, wo Leib und Leben gefährdet werden, es also gewalttätig wird. Aber insgesamt bin ich schon der Meinung, dass wir zivilen Ungehorsam brauchen, weil die Proteste auf den Straßen nicht mehr wirklich ernst genommen werden. Wir haben in den letzten Jahren Zehntausende bis hin zu 100 Tausenden auf die Straßen gebracht. Und trotzdem ändert es sich immer nur minimal. Also ich sage nur als es in Moria bei dieser Geflüchteten Unterkunft auf der Insel Lesbos gebrannt hat, waren Zehntausende auf den Straßen, damit die Menschen aufgenommen werden und Horst Seehofer hat eine minimale vierstellige Zahl an Menschen aufgenommen. Und da merkt man, dass egal ob wir für die Klimakrise, für Frieden, oder gegen Rassismus auf die Straße gehen, dass nur Protest nicht mehr wirklich Wirkung hat, sondern wir brauchen viel mehr sensationellen Protest. Ziviler Ungehorsam ist eine Art von Sensation, weil vor allem wenn junge Menschen das machen, und das dann noch mal ganz anders wahrgenommen werden.

Was wäre Deiner Meinung nach gute Maßnahmen, um in Berlin gegen Rassismus vorzugehen?

In erster Linie ist mir wichtig, dass wir vor allem Profiling bekämpfen, also den Rassismus, der Menschen, die anders aussehen, auf der Straße tagtäglich von der Polizei erleben. Denn mich hat das als Jugendlicher sehr stark geprägt. Ich wurde mit zwölf Jahren das erste Mal kontrolliert von der Polizei, weil sie dachten ein Freund der neben mir war, ist Dealer, was sich dann nicht bewahrheitet hat. Wir kamen gerade vom Fußball spielen und das war für mich als ob die ganze Stadt auf mich einhämmert und ich hier einfach nicht willkommen bin.  Profiling ist halt so die mieseste Form, weil da eine Person, die mit einer Waffe Gewalt ausüben kann, dich einfach kontrolliert und du dann weißt, wie klein du bist. Und deshalb ist das finde ich eine der wichtigsten Formen, die wir erst einmal bekämpfen sollten. Und dazu zählt vor allem für mich, dass wir das immer wieder publik machen. Wenn so etwas passiert, sind wir laut auf der Straße.

Sehr viele Menschen, wenn sie vor allem auf dem so oder so schweren Wohnungsmarkt wie in Berlin eine Wohnung suchen, werden diskriminiert. Aber die Deutschen? Diese Punkte müssen wir auf alle Fälle aus der Perspektive der Politik ändern, zum Beispiel dass wir da Rahmenbedingungen schaffen, damit Menschen nicht diskriminiert werden. Und wenn sie diskriminiert werden, dass es entsprechende Beschwerdestellen gibt. Und auch bei der Polizei braucht es halt beispielsweise Beschwerdestellen, unabhängige Beschwerdestellen, damit auch Polizistinnen sich gegenseitig anonym anzeigen können.  Also quasi das nicht die Polizei sich selbst kontrolliert, damit auch weniger rassistische Vorfälle in polizeilichen Angelegenheiten passieren.

Lieber Ferat, wir danken für das Interview.

Das Interview wurde von Ben Frach und Max Moorfeld geführt.

Foto: Jon Tyson (unsplash)

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