Neulich im Park

Ich sitze auf der Bank im Park und schnitze. Das Schnitzen ist Bestandteil eines großen und stetig wachsenden Kataloges an Hobbys, die ich über die Jahre aufgenommen und alle nach wenigen Monaten wieder aufgegeben habe. Ich habe mich lang über mich selbst geärgert deswegen, über meine Unfähigkeit, mal ein Hobby wirklich durchzuziehen, also länger als ein paar Monate. Das Ärgern habe ich mittlerweile ebenfalls wieder aufgegeben, es gewissermaßen zum Schnitzmesser und den Nähsachen und den Farben und den Puzzeln und den beschriebenen Blättern in den Schrank gelegt, zum Staub sammeln.

Foto: Naehen Elio Santos
Foto: Naehen Elio Santos

Denn ich habe etwas erkannt: Ich lasse nichts für immer da im Schrank liegen. Ich schnitze etwa für ein paar Monate leidenschaftlich, dann gebe ich das Schnitzen wieder auf und verschwende ein halbes Jahr lang keinen Gedanken daran. Doch nach diesem halben Jahr, oder vielleicht auch erst nach einem Ganzen, da komme ich dann doch wieder an, öffne den Schrank, und das Schnitzmesser und die Handschuhe und die Säge und die bereits gekauften Holzstücke, die warten dort auf mich, geduldig, etwas staubig.

Foto: Alex Jones
Foto: Alex Jones

So kommt es jedes Mal und so ist es auch dieses Mal wieder gekommen und so sitze ich jetzt also auf der Bank im Park und schnitze. Es ist Winter, kurz vor Weihnachten. Ich arbeite an einem Geschenk für meine Eltern, aber darauf kommt es eigentlich nicht an. Es kommt darauf an, dass ich hier sitze, auf der Bank im Park, im Schnee, meine Hände schmerzen schon leicht, ich habe eine etwas tiefere Stichwunde im Bein, denn vor ein paar Tagen bin ich mit dem Messer abgerutscht. Ich schnitze eine Rundung und paradoxerweise schnitzt man eine Rundung am besten, indem man zunächst eine Ecke schnitzt. Zwei möglichst gerade Flächen, möglichst im rechten Winkel zueinander, und wenn man das geschafft hat, dann schneidet man die Ecke ab. Mit starken, schnellen Schnitten macht man das, es ist der beste Weg, sich schnell durch viel Holz zu arbeiten.

Foto: Katie Gerrard
Foto: Katie Gerrard

Ich sitze also da auf der Bank im Park und schnitze, und plötzlich landet vor mir auf dem Boden ein Ball, ein paar Meter von mir entfernt. Er hat die Art und Größe eines Balles, den man wirft, um ihn von einem Hund holen zu lassen, also schnitze ich weiter Ecken und warte auf den Hund. Doch der Hund kommt nicht. Stattdessen kommt ein älterer Mann mit einem wirren Gesichtsausdruck, der mich kurz ansieht und dann den Ball aufhebt. Für einen kurzen Moment bin ich froh, ein Messer in der Hand zu haben, auch wenn es nur ein kleines ist. Der Mann geht weiter, ohne mich zu beachten und ich schäme mich ein wenig für den Gedanken.
Ich drehe das Holzstück um und bearbeite die Unterseite. Wieder Rundungen, wieder erstmal Ecken und gerade Flächen und dann die Ecken abschneiden. Auf der Unterseite klappt es mit den rechten Winkeln nicht ganz. Das ist aber in Ordnung, stumpfe Winkel tun es auch, man muss flexibel sein, beim Schnitzen. Manchmal bricht ein Stück Holz ab, das nicht abbrechen sollte, manchmal rutscht man mit dem Messer ab und sticht sich ins Bein, manchmal schafft man eben nur stumpfe Winkel und keine rechten. Da kann man nichts machen. Der Mann mit dem wirren Gesichtsausdruck kommt zurück und dieses Mal hat er auch tatsächlich einen Hund dabei, einen kleinen ockerfarbenen, der laute Fiepgeräusche macht.

Bild: Clem Onojeghuo
Foto: Clem Onojeghuo

Der Mann und der Hund spielen im Schnee, ich sitze immer noch auf der Bank im Park und versuche mäßig erfolgreich den stumpfen Winkel so weit wie möglich einem rechten anzunähern und plötzlich bin ich mir sicher, ich den Hund erschaffen habe. Ich hatte einen Hund erwartet aber da war kein Hund und weil ich ihn erwartet habe, weil ich es seltsam fand, dass ein hundeloser Mann einem Ball für Hunde hinterherrennt, ist er entstanden, es ist ganz eindeutig.

Ich schneide die stumpfwinklige Ecke ab und sie wird zu einer Rundung, während der Hund, den ich erschaffen habe, noch immer mit dem Mann im Schnee spielt und laute Fiepgeräusche macht. Dann lege ich das Messer weg, ziehe die Handschuhe aus, packe alles ein, stehe von der Bank im Park auf und mache mich auf den Rückweg, durch den Schnee. Ich bin nicht fertig geworden, aber darauf kommt es nicht an.

Aaron, Q3

Foto: Austin Ban
Foto: Austin Ban