Hinter Gittern- So fühlt es sich wirklich an, als Jugendlicher im Gefängnis zu sitzen.

241214-jugendstrafanstalt-berlin

Neulich, am 3. Dezember 2024, wurde uns die Chance gegeben, ein Interview mit einigen Häftlingen der Jugendstrafanstalt Plötzensee zu führen, die dort seit längerem ihre Strafe absitzen. Wir haben viele Frage gestellt und interessante, aber teilweise auch emotionale
Antworten bekommen.

Wir haben uns vor Allem für den Alltag im Gefängnis interessiert. Uns wurde vom Fernsehprogramm erzählt, es gibt nur 30 Sender, die jedes Jahr das gleiche Programm zeigen. Fast sollte sogar Netflix eingeführt werden, allerdings wurde der Vorschlag schließlich doch abgelehnt. Manchmal schaffen Gefangene es, ein Handy in die Zelle zu schmuggeln.

Foto: Paolo Chiabrando, unsplash
Foto: Paolo Chiabrando, unsplash

Werden sie erwischt, gibt es, je nach Häufigkeit, mehrere Wochen Total-Einschluss in der Zelle.
Des weiteren haben uns die Insassen erzählt, wie es sich anfühlt, einen so großen Teil ihrer Jugend im Gefängnis zu sitzen, während andere draußen die beste Zeit ihres Lebens haben. Sie erzählten uns, dass es sich stark in der Sprache bemerkbar macht. Wenn sie Besuch bekommen, benutzt dieser häufig z.B. Jugendwörter, die man überhaupt nicht kennt, weil man schließlich kaum Kontakt zu Jugendlichen draußen hat. Das gleiche gilt für Filme und Serien und alle anderen Geschehnisse draußen, von denen man nichts mitbekommt.

Foto: Fang Wei Lin, unsplash
Foto: Fang Wei Lin, unsplash

Meiner Meinung nach ist es eine sehr erschreckende Vorstellung, für so einen langen Zeitraum von der Außenwelt isoliert zu sein. Die Gefangenen erzählten uns allerdings, dass sie es als hilfreich empfinden, nicht ständig unter Druck zu sein, dass man immer der oder die Lustigste, Stärkste und Coolste sein muss, denn das sind nicht die Dinge, die Dich am Ende Deines Lebens glücklich. Im Gefängnis haben sie Zeit, herauszufinden, wer sie wirklich sind, und außerdem wer ihre wahren Freunde sind. Da man im Gefängnis kein Handynutzen darf, beschränkt sich der Kontakt zu Bekannten ausschließlich auf Briefe und Besuche. Viele ihrer alten Kumpel haben deshalb den Kontakt einschlafen lassen, und nur die echten Freunde haben sich die Mühe gemacht und ihnen Briefe geschrieben.

Später fragten wir unsere Gesprächspartner nach unausgesprochenen Regeln untereinander. Alle waren sich einig: nicht anscheißen, sprich den Wärter*innen nicht von den Regelverstößen der anderen Insassen erzählen.
Der meiner Meinung nach interessanteste Punkt ist zum einen das sogenannte Reden am Fenster. So gut wie alle Zellen haben ein Fenster zum Hof, und so es ist möglich, von der Zelle aus mit anderen
Inhaftierten zu kommunizieren. Meist gewöhnlicher Smalltalk, oft aber auch ,,sehr spezielle Themen“, laut den Gefangenen. Teilweise sitzen sie dann bis tief in die Nacht dort und reden. Das Problem dabei ist allerdings, dass natürlich jeder mithören kann, und oft sieht man nicht, mit wem man überhaupt spricht. So entsteht der Großteil aller Streitigkeiten. Ich hätte diesen Gesprächen ehrlicherweise sehr gerne mal zugehört.

Zum anderen erzählten uns die Interviewten von zwei gelungenen Ausbruchsversuchen. Beim ersten ist ein Ausbrecher nur über´s Wochenende ausgebrochen, um seinen Geburtstag in Freiheit feiern zu können. Beim anderen tauschten zwei Zwillinge während der Besuchszeiten heimlich ihre Klamotten, und so konnte der inhaftierte Bruder kurzzeitig frei sein.

Foto: Chandler Cruttenden, unsplash
Foto: Chandler Cruttenden, unsplash

Am Ende haben die Gefangenen uns noch einen Tipp mitgegeben. Wenn man selbst gerade dabei ist, kriminell zu werden, und immernoch denkt, es wäre cool, soll man sich seine eigene Mutter vorstellen, wie traurig es sie machen würde, ihr eigenes Kind im Gefängnis zu sehen, und nur unter Kontrolle der Wärter mit ihm reden zu können.

Foto: Stephanie Guarini, unsplash
Foto: Stephanie Guarini, unsplash

Ich fand den Besuch in der Jugendstrafanstalt zum einen interessant, da ich sehr viele Dinge über den Alltag der Insassen gelernt habe, die ich sonst nie erfahren hätte. Außerdem habe ich davor nicht erwartet, dass auch ehemalige Straftäter Menschen sind, mit denen man sich normal unterhalten kann. Hätte ich sie auf der Straße getroffen wäre ich niemals darauf gekommen, dass sie jugendliche Häftlinge sind.

Zum anderen hat das Gespräch mich nachdenklich gemacht. Und mir gezeigt, wir dankbar ich für meine Freiheit sein sollte, denn sie ist nicht selbstverständlich.

Marlene M.

Vielen Dank an die Redaktion der Schülerzeitung der Refik-Veseli-Schule für die Einladung zu diesem Gespräch. Herzlichen Dank an Frau Lang, Schulleiterin in der Jugendstrafanstalt, die den Termin ermöglicht und unser Gespräch mit Herzem begleitet hat.

Der Artikel der Refik-Schülerzeitung: „Hinter Gittern – Ein Tag im Jugendgefängnis“

Höchst empfehlenswert! Der Podcast der Jugendlichen der Jugendstrafanstalt Berlin
https://zweidrittelfm.com/